Konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Hast du dich bereits mit dem Thema Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) näher auseinandergesetzt, bist du vielleicht schon auf den Begriff “konkrete Verweisung” gestoßen. Enthalten die Versicherungsbedingungen deiner BU solch eine konkrete Verweisung, kann es sein, dass dir die Berufsunfähigkeitsrente unter manchen Umständen nicht ausgezahlt wird. Doch was besagt die konkrete Verweisung eigentlich genau? Das erfährst du hier!
Das musst du wissen:
- Konkrete Verweisung bei Berufsunfähigkeit bedeutet, dass die BU dann keine Rente auszahlt, wenn du einen neuen Job findest, der dir eine vergleichbare Lebensstellung ermöglicht wie der alte Beruf.
- Eine vergleichbare Lebensstellung heißt nach Ansicht der Rechtsprechung, dass der neue Beruf mindestens 80 % des alten Bruttoeinkommens einbringt und dieselbe soziale Wertschätzung hat wie die vorherige Stelle.
- In den Bedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist die konkrete Verweisung fast immer verankert. Eine abstrakte Verweisbarkeit bei einer BU hingegen gibt es nur bei manchen Verträgen.
Was ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung?
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) sichert dich finanziell für den Fall ab, dass du deinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kannst. Dann zahlt sie dir nämlich eine Berufsunfähigkeitsrente aus. Von der gewünschten Höhe deiner Rente und dem Alter, bis zu dem du die Berufsunfähigkeitsrente beziehen möchtest, hängt auch die Höhe deiner Beiträge ab. Deine persönliche Lebenssituation wirkt sich ebenfalls direkt auf die Kosten der BU aus.
Berufsunfähig bist du dann, wenn dir dein Arzt bestätigt, dass du deinen bisherigen Beruf für eine längere Zeit nicht ausüben kannst. Wenn du eine entsprechende Bestätigung deines Arztes vorweist, zahlt dir die Versicherung für diesen Zeitraum die vereinbarte Rente aus.
Konkrete Verweisung bei der BU
Doch auch dann, wenn du eine BU abgeschlossen hast und deinem bisherigen Beruf nicht mehr nachgehen kannst, zahlt dir die BU nicht in jedem Fall die vereinbarte Rente aus. Manchmal greift nämlich die sogenannte konkrete Verweisung, welche zu fast allen Berufsunfähigkeitsversicherungen auf dem deutschen Markt gehört. Aber was ist das genau?
Nehmen wir an, Torsten hat als Tischler gearbeitet, bis er einen Bandscheibenvorfall hatte und deshalb seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Zum Glück hat er vor ein paar Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen, von der er nun gerne die vereinbarte Monatsrente erhalten möchte. Mittlerweile hat Thorsten jedoch einen Job in einem Baumarkt gefunden, wo ihm sein Rücken keine Probleme bereitet. Auch sein Einkommen ist fast so hoch wie zu den Zeiten, als er noch als Tischler arbeitete. Nachdem Torsten bei seiner Versicherung einen Antrag auf Rentenleistungen eingereicht hat, lehnte die Versicherung diesen ab. In ihrer Begründung verweist sie ihn darauf, dass er ja bereits einen konkreten Beruf gefunden hat und ausübt, der es ihm ermöglicht, seine Lebensstellung zu behalten.
Die konkrete Verweisung in den Versicherungsbedingungen
Die meisten Versicherungen enthalten so eine konkrete Verweisung bei Berufsunfähigkeit. Doch wenn du die Versicherungsbedingungen auf den Begriff “konkrete Verweisung” hin durchsuchst, wirst du in der Regel nicht fündig. Versicherungen nennen diese Klausel in ihren Bedingungen nämlich meist nicht beim Namen. Daher musst du den Text nach einem Abschnitt durchsuchen, der so oder ähnlich klingt:
Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person […] keiner anderen, ihrer Ausbildung, ihren Fähigkeiten und ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechenden beruflichen Tätigkeit nachgeht.
Dieser Auszug aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die BU der Gothaer (§ 2 Absatz 1) soll nur als ein Beispiel dienen, wie eine konkrete Verweisung formuliert sein kann. Meist findest du die entsprechende Klausel in dem Teil der Versicherungsbedingungen, wo definiert wird, wann eine Berufsunfähigkeit überhaupt vorliegt.
Wann die konkrete Verweisung greift
Die meisten Versicherungen machen laut Versicherungsbedingungen dann von der konkreten Verweisung Gebrauch, wenn dein neuer Job nach eingetretener Berufsunfähigkeit folgende Bedingungen erfüllt:
- Wenn das Bruttoeinkommen deiner neuen Tätigkeit mindestens 80 % vom Bruttoeinkommen des letzten Berufes beträgt, gilt sie als vergleichbar mit deiner alten Arbeit, weil das Einkommen dazu ausreicht, deine bisherige Lebensstellung zu halten.
- Zur Lebensstellung gehört auch die soziale Wertschätzung der neuen Arbeit, welche derjenigen des alten Jobs entsprechen muss.
- Zusätzlich zu der Lebensstellung muss der Verweisungsberuf bei vielen Versicherungen auch der Qualifikation des Versicherten entsprechen. Dies ist dann der Fall, wenn du bei deinem neuen Job deine Erfahrungen und Fähigkeiten einsetzen kannst.
Erfüllt der neue Job nach Eintreten der Berufsunfähigkeit all diese Kriterien, erhalten Versicherte keine Zahlung von der Versicherung. Dieses Vorgehen wurde in der jüngeren Vergangenheit durch mehrere Urteile zur Berufsunfähigkeit gedeckt.
Konkrete Verweisung in der Rechtsprechung
Die konkrete Verweisung war zum Beispiel Gegenstand eines Urteils des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 8. Februar 2012 (Az. IV ZR 287/10). In diesem Fall wurde ein Maler dauerhaft berufsunfähig, nachdem er einen Skiunfall erlitten hat. Seine Versicherung stellte jedoch die Rentenzahlungen ein, als er eine Stelle als Kaufmann in einem Fachhandel für Malerbedarf aufnahm. Der BGH wies seine Klage gegen die Versicherung ab, weil er das Einkommen im neuen Beruf sowie dessen soziale Wertschätzung als vergleichbar ansah.
Findet eine Person einen neuen Job nach eingetretener Berufsunfähigkeit, kann die konkrete Verweisung jedoch nicht in allen Fällen angewandt werden. Dies zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Karlsruhe vom 30. Dezember 2011 (Az. 12 U 140/11). Hier fand ein Handwerksgeselle nach einem Arbeitsunfall einen Beruf als Hausmeister an einer Schule. Obwohl das Gericht den Einkommensverlust als zumutbar ansah, kam es dennoch zu dem Schluss, dass der Handwerksgeselle ein Recht auf seine BU-Rente hat. Der Grund dafür ist, dass viele Tätigkeiten, die er als Hausmeister machen muss, nicht seiner eigentlichen Qualifikation entsprechen. Hier kann also trotz neuem Job nach Berufsunfähigkeit die konkrete Verweisung nicht angewandt werden, weil der Hausmeisterberuf nach Ansicht des Gerichtes keine vergleichbare Wertschätzung mit sich bringt.
Unterschied zur abstrakten Verweisung
Die Begriffe abstrakte und konkrete Verweisung werden oft verwechselt, sie haben aber unterschiedliche Bedeutungen. Enthalten die Versicherungsbedingungen eine abstrakte Verweisung, kann der Versicherer sich weigern, dir die Rente auszuzahlen, wenn du auch nur theoretisch einen vergleichbaren Job ausüben könntest.
Konkret heißt das für unseren Tischler Thorsten: Hätte er eine BU mit abstrakter Verweisung abgeschlossen, so hätte die Versicherung ihn beim Leistungsantrag in jedem Fall darauf verwiesen, dass er doch in einem Baumarkt oder einem anderen vergleichbaren Beruf arbeiten könne. Sie würde Torsten auch dann die Rentenleistung verweigern, wenn er gar keine neue Arbeit gefunden hätte.
Häufige Fragen
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Was bedeutet konkrete Verweisung bei Berufsunfähigkeit?
Ist in den Versicherungsbedingungen deiner BU eine konkrete Verweisung verankert, bedeutet dies, dass du auch bei einer Berufsunfähigkeit keine Rente ausgezahlt kriegst, wenn du einen Job gefunden hast, der dir eine vergleichbare Lebensstellung ermöglicht wie dein ehemaliger Beruf. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn das Bruttoeinkommen mindestens 80 % von dem des alten Jobs beträgt und wenn die soziale Wertschätzung des neuen Berufes vergleichbar ist mit deiner ehemaligen Stelle. -
Gibt es eine Berufsunfähigkeitsversicherung ohne konkrete Verweisung?
Du wirst auf dem deutschen Markt so gut wie keinen Anbieter mit Verzicht auf die konkrete Verweisung bei einer BU finden. Aber es macht ja auch Sinn: Arbeitest du bereits in einem neuen Beruf, der dir ein vergleichbares Gehalt bringt, brauchst du eigentlich auch keine BU-Rente. Mittlerweile gibt es jedoch viele Versicherer, welche zumindest auf die abstrakte Verweisung verzichten. -
Wo kann ich sehen, welche Versicherungen eine abstrakte Verweisung oder eine konkrete Verweisung haben?
Bevor du eine Versicherung abschließt, solltest du immer einen genauen Blick in die Versicherungsbedingungen werfen und dabei auf entsprechende Klauseln achten. Ob eine Versicherung die abstrakte Verweisung beinhaltet, kannst du unter anderem dem BU-Vergleich der Zeitschrift Finanztest von der Stiftung Warentest entnehmen. Dort findest du auch einen Preisvergleich mit den Kosten der einzelnen Anbieter, welche für verschiedene Modellkunden ausgerechnet wurden.