Burnout durch Arbeit: Wenn das, was man gerne tut, krank macht
Die Zahlen der Krankenkassen zeigen jedes Jahr, dass der Arbeitsausfall aufgrund psychischer Belastungen, insbesondere Burnout, steigen. In einigen Berufen ist das Burnout-Risiko höher, als in anderen. Aber was könnte ein Grund dafür sein, dass Arbeit zum Burnout führt? Unsere Burnout Expertin Claudia Patz geht der Frage nach, inwieweit „Berufung“ ein Auslöser sein kann.
Inhaltsverzeichnis
- Wo liegt der Unterschied zwischen Job, Beruf und Berufung
- Was hat Berufung und Wertschätzung mit Sucht zu tun?
- Warum macht einen die Leidenschaft für den Beruf krank?
- Wie erkennt man, dass die Berufung zum Burnout führt?
- Das Gefühl wieder dafür bekommen, was Entspannung ist
- Die goldene halbe Stunde
Das Wort Burnout kennt in der heutigen Zeit fast jeder. Es gibt hierbei unterschiedliche Assoziationen mit Burnout. Viele denken dabei an die „Managerkrankheit“. Der klassische Geschäftsmann, der sich für den schnöden Mammon, oder die Karriere aufreibt, bis ihn der Infarkt niederstreckt. Was viele nicht wissen, dass Burnout zu einem großen Teil die Menschen betrifft, die ihren Beruf zur Berufung gemacht haben. Wie kann das sein, dass eine Berufung, der man mit Leidenschaft folgt, einen krank macht? Viele der Betroffenen fühlen sich in ihrem Arbeitsumfeld gut aufgehoben, pflegen gesunde kollegiale Kontakte. Sie entdecken immer wieder neue Impulse im Beruf, bilden sich weiter und genießen das Vertrauen ihrer Vorgesetzten. Viele spannende Berufe, die eine Berufung sind, werden von den Betroffenen nach der Diagnose Burnout oft als täglichen „Adrenalinkick“ bezeichnet.
Wo liegt der Unterschied zwischen Job, Beruf und Berufung
Diese Bezeichnungen werden oft in einem Atemzug genannt. Hierbei gibt es aber entscheidende Unterschiede, die auch Einfluss darauf haben kann, ob ein Burnout ausschließlich von externem Druck seitens der Arbeitsbedingungen erfolgt, oder weil eine Überbelastung vorliegt, die aber nicht als Belastung empfunden wird.
Wie kann man nun Job, Beruf und Berufung voneinander unterscheiden? Laut Definition ist der Job etwas, mit dem Du Geld verdienst, um Dein Leben zu bestreiten, ist aber nichts, was Dir aus einer internistischem Motivation Spaß macht. Der Beruf differenziert sich insoweit von Job, als das Geld verdienen und das Ausbauen seiner Karriere im Vordergrund steht, aber dass man diesen Beruf auch gerne ausübt. Der Ausdruck der Berufung wird dann gewählt, wenn man das, was man tut, innerlich erfüllt, ungeachtet der äußeren Umstände oder Arbeitsbedingungen.
Der Beruf kann sich sehr wohl aber zu einer Berufung entwickeln. Dies passiert dann, wenn man Möglichkeiten zur Weiterentwicklung innerhalb des Berufes entdeckt und wahrnimmt.
Was hat Berufung und Wertschätzung mit Sucht zu tun?
Wirst Du wertgeschätzt für das, was Du tagtäglich bei der Arbeit tust, bestätigt Dich das, wie Du Deine Arbeit verrichtest. Es motiviert und animiert, dass man genauso weiter macht wie bisher, oder sich noch verbessern will. Gehst Du Deinem Beruf gerne und mit Leidenschaft nach, kann es sein, dass Du dieses Gefühl der Wertschätzung oder des Lobes immer wieder erleben willst. Hier kann sich ein nicht substanzielles Suchtverhalten entwickeln. Das Privatleben fängt an, in den Hintergrund zu treten, Familie und Freunde werden hinten angestellt. Hier bekommt man nicht Lob oder Wertschätzung, sondern eher Kritik zu hören, weil man Freundschaften nicht mehr pflegt und das Familienleben vernachlässigt. Der Fokus lenkt sich immer mehr auf die Arbeit und in Folge beginnt der Beruf zur Berufung zu werden. Du beginnst, Deinen Beruf in den Mittelpunkt Deines Lebens zu stellen.
Warum macht einen die Leidenschaft für den Beruf krank?
Es geht dabei nicht nur um die Wertschätzung, die man von Vorgesetzten und Kollegen bekommt. Es geht, um das eigene empfundene Gefühl in seinen Beruf alles im Griff zu haben, jede Situation meistern zu können. Du steigst zum Profi Deines Berufes auf und liebst das, was Du tust. Jeder sucht bei Dir Rat und Information, weil Du derjenige bist, der weiß, wie es funktioniert. Du kannst jedes Problem lösen und hast auf alles eine Antwort. Jeder ist zufrieden, lobt Dich und man erlebt ein ständiges Glücksgefühl.
Hinter diesem ganzen Flow braut sich aber bereits nach kurzer Zeit ein körperliches Defizit zusammen. Die Schlafzeit verkürzt sich immer mehr, weil man nicht einschlafen kann. Die Müdigkeit am nächsten Tag versucht man durch erhöhten Konsum von Koffein und Nikotin auszugleichen. Du nimmst Dir keine Zeit mehr für Deine Mahlzeiten, oder mal eine Pause einzulegen. Nichts erscheint so wichtig wie der Beruf und dass man darin noch besser wird. Das Gefühl andere zu enttäuschen oder die Leistung nicht mehr erbringen zu können, bestimmt den Arbeitsalltag. Diejenige, die so leben, stört dieser Zustand aber nicht, weil sie ja „ihren Beruf lieben“.
Werden Betroffene von Vorgesetzten oder Kollegen darauf hingewiesen, mal einen Gang „runterzuschalten“, sieht derjenige dies oft als Degradierung seiner Fähigkeiten. Fazit: Betroffene arbeiten noch mehr, noch länger und härter. Hier beginnt die Leidenschaft für den Beruf dem Modus des Funktionierens zu weichen.
Wie erkennt man, dass die Berufung zum Burnout führt?
Der Betroffene erkennt das Burnout meistens erst dann, wenn die körperlichen Beschwerden so massiv geworden sind, dass der Arbeitsalltag kaum oder gar nicht mehr zu bewältigen ist. Burnout Betroffene klagen oft über Schweißausbrüche, Schlaflosigkeit und ständiger Müdigkeit. Dadurch entsteht dann bei der Arbeit ein Leistungsabfall und es entwickeln sich Konzentrationsschwierigkeiten. Im Privatleben kommt es zu einem ausgeprägten Rückzug. Die Menschen, die bereits an diesen Punkt angekommen sind, werden oft von ihrer Umwelt auch als zynisch, verbittert, hart, inhuman, gelangweilt, desillusioniert und ruhelos wahrgenommen.
Mehr Informationen zu Burnout-Symptomen.
Viele Betroffene aus Selbsthilfegruppen beschreiben diese Phase ihres Burnouts im Nachhinein als „ein Gefühl der Schwäche, die man einfach nicht zulassen wollte und gegen die man sich mit aller Kraft auflehnte, um nicht als Versager zu gelten“. Dies begründen sie damit, dass sie ihren Beruf lieben. Wenn sie sich jetzt eingestehen, eine längere Pause von ihrem Beruf zu benötigen, die große Angst darin besteht, nie wieder in diesem Beruf zurückkehren zu können.
Das Gefühl wieder dafür bekommen, was Entspannung ist
Burnout existiert, weil wir Entspannung zu einer Belohnung anstatt einer Berechtigung gemacht haben.
Juliet C. Oboda
Burnout Betroffene können vorwiegend nicht definieren, was Entspannung für sie bedeutet. In der Akutphase des Burnouts ist es nicht ratsam, einem Betroffenen zu raten, dieses oder jenes zu tun, um zu entspannen. Derjenige muss selbst erkennen lernen, was für ihn Entspannung und Erholung bedeutet. Du durchläufst mit einem Burnout verschiedene Phasen von Bedürfnissen, die befriedigt gehören. Die erste Phase besteht meistens aus einem Ruhebedürfnis und nach ausreichend Schlaf. Wer ein Burnout hat, muss sich selbst und die Bedürfnisse seines Körpers und des Geistes erst wieder lernen wahrzunehmen. Entspannung darf nicht mehr als Belohnung, sondern als Berechtigung angesehen werden, und zwar ohne das schlechte Gewissen, das Betroffene oft vor dem Burnout verspürt haben. Es ist ein Lernprozess für diese Menschen und der gestaltet sich oft schwierig, da angelernte Gewohnheiten oftmals nur langsam abzulegen sind. Es ist ratsam, in dieser Phase des Heilungsprozesses, sich professionelle Hilfe zur Unterstützung zu suchen.
Mehr Infos zu Burnout Therapie.
Die goldene halbe Stunde
Dies ist eine Entspannungsübung, die sich einfach gestaltet, aber bei vielen, die unter ständiger Belastung stehen, oft als Herausforderung herausstellt.
Die Übung besagt, dass man einmal am Tag eine halbe Stunde einfach nur dasitzt und jegliche Störquelle ausschaltet (Kein Radio, Handy, aber auch das Geräusch der Waschmaschine). Absolute Stille und nur dasitzen. Es wird empfohlen, sich nicht hinzulegen, da es sein kann, dass man einschläft. Das Ziel ist bei dieser Übung wieder zu erlernen, bewusst die Stille anzunehmen, den Körper und den Geist zur Ruhe kommen zu lassen.
Gleichgültig, welche Art von Entspannung man für sich wählt, man sollte es immer als Berechtigung ansehen und nicht als Belohnung.