Impostor-Syndrom und Burnout – wo besteht der Zusammenhang?
Das Impostor-Syndrom und Burnout können in einem engen Zusammenhang stehen, obwohl sie auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Im Artikel geht Burnout-Expertin Claudia Patz darauf ein, was das sogenannte Hochstapler-Phänomen ist, wie du es erkennst und erläutere die Beziehung zu Burnout.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist das Impostor-Syndrom?
- Wann fängt es an, dass ein Impostor-Syndrom zu Burnout führt?
- Impostor und Burnout werden oft nicht ernst genommen
- Wie du selbst testet, ob du zum Impostor-Syndrom neigst?
Was ist das Impostor-Syndrom?
Wenn man von einem Impostor- oder auch Hochstapler-Syndrom (auch Impostor-Phänomen) spricht, sind Menschen gemeint, die in der Annahme leben, dass alles, was sie tun, nur reines Glück ist. Das bedeutet, sie sind davon überzeugt, keine Fähigkeiten oder Talente zu besitzen. Jeden Erfolg, den sie erleben, schreiben sie nur dem Zufall zu. Dadurch nehmen sie sich selbst als Betrüger wahr, denen alles, ohne etwas dafür Produktives getan zu haben, in den Schoß fällt. Die Betroffenen sind aber in der Wahrnehmung der Umwelt extrem klug, fleißig und strebsam. Außerdem zeichnen sie sich meistens durch eine hervorstechende Strukturiertheit aus.
Menschen, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, empfinden jeden Erfolg als Betrug und jeden Misserfolg als Bestätigung ihrer Unfähigkeit. Das Entscheidende aber ist, dass diese Menschen unter einem extremen emotionalen Druck und andauernden Stress stehen. Die Angst, bei ihrer vermeintlichen „Betrügen” entlarvt zu werden, versetzt sie in eine fortwährende Anspannung, die sich physisch und psychisch auswirken kann. Betroffene leiden unter Schlafstörungen, Bluthochdruck, Unruhe und auch Burnout.
Ein Phänomen hingegen ist ein Gefühlszustand, der von anderen und auch an einem selbst wahrgenommen wird. Erstmals wurde das Impostor-Phänomen 1978 von John Langford und Pauline Rose Clance benannt. Sie entdeckten die Auffälligkeit bei berufstätigen Frauen, die aber ihre Fähigkeiten von anderen beobachtet nur als Überschätzung sahen. Pauline Rose Clance war Professorin an einer amerikanischen Universität und gab Beratungsstunden für Studentinnen. Hier fiel ihr auf, dass viele, die zur Beratung kamen unter Angst und Selbstzweifel litten, weil sie dachten, sie hätten nur Glück gehabt, an der Uni aufgenommen worden zu sein, und dass die Angst, dass sie eine Prüfung mal nicht schaffen würden oft als übermächtig bezeichnet wurde. Gerade diese Studentinnen fielen aber bei Prüfungen kaum durch. Dies zeigt, dass Betroffene grundlegend immer Selbstzweifel hegen und ein mangelndes Selbstbewusstsein besitzen, die den Nährboden für ein Impostor-Phänomen legen.
Beispiel:
Mangelndes Selbstbewusstsein | Impostor-Syndrom |
“Ich bin wahrscheinlich nicht gut in diesem Projekt.” | “War ja klar, dass ich keinen Erfolg habe, ich bin die Schlechteste in diesem Team”. |
Wann fängt es an, dass ein Impostor-Syndrom zu Burnout führt?
Betroffene, die unter einem Impostor-Syndrom leiden, stehen ständig unter Stress. Der Körper und auch der Geist finden niemals Ruhe. Diese unentwegte Anspannung hinterlässt dann auch seine körperlichen und geistigen Spuren.
Betroffene berichten über Schlaflosigkeit, Unruhe, Gereiztheit und ebenso physiologische Auswirkungen wie Bluthochdruck. Diese psychologischen und auch physiologischen Symptome können, genauso wie aus anderen Ursachen entstandener Stress, zu Burnout führen. In diesem Zusammenhang von Impostor und Burnout ist es sowohl für Betroffene als auch für den behandelnden Arzt oft schwer eine eindeutige Diagnose zu stellen. Menschen, die unter dem Phänomen Impostor leiden, wissen es oft selbst gar nicht. Sie halten es oft für ein mangelndes Selbstbewusstsein und können dadurch, wenn sie professionelle Hilfe annehmen, dem Arzt nicht erklären, warum sie sich erschöpft und ausgebrannt fühlen.
Entscheidend ist aber auch die Wahrnehmung der Umwelt, die Menschen mit Impostor als selbstbewusst, erfolgreich, integer und eloquent empfinden. Also die Symptome eines Burnouts mit dem Impostor-Phänomen in einen Kontext zu bringen fällt der Außenwelt oft schwer.
Dadurch erschwert es aber die nötige Hilfestellung bei dem Verdacht auf ein Burnout. Ein Teufelskreis für Betroffene mit Impostor-Phänomen, denn die Einschätzung über sich selbst , aber auch die Einschätzung der Umwelt verzerrt sich immer mehr und der innere Druck und der Stress steigen stetig an.
Impostor und Burnout werden oft nicht ernst genommen
Burnout wird noch immer nicht von allen Menschen ernst genommen. Eine Betroffene einer Selbsthilfegruppe erzählte mal von ihrem Besuch bei ihrem Hausarzt. Als sie die Vermutung äußert “vielleicht ein Burnout” zu haben, gab ihr der Arzt zu verstehen, dass sie keine eigenen Diagnosen stellen soll und er auch nicht bereit ist, dieser frei erfundenen Krankheit Vorschub zu leisten. Sie hätte einfach zu wenig geschlafen. Das Einzige, was sie von ihm bekam, war ein Rezept für Schlaftabletten.
Burnout wird noch immer nicht als Krankheit anerkannt. Die Beschreibung der Symptome wurde zwar 2019 von der WHO ausgeweitet und im ICD-11 evaluiert, aber Burnout läuft noch immer als Syndrom und nicht als Krankheit. In der genauen Bezeichnung definiert es die WHO Burnout als “einen Faktor, den den Gesundheitszustand beeinträchtigt”. (Quelle: meinepsyche.de)
Beim Impostor-Phänomen gestaltet es sich als noch komplexer. Da es “nur” ein Phänomen ist, wird es im Umfeld verzerrt dargestellt. In einigen Foren ist dann zu lesen „Stell dich nicht so an, das hatte ich auch schon”. Impostor ist keine Erkältung, die kommt und verschwindet. Stattdessen ist das Impostor-Phänomen die Auswirkung von – vielleicht bis in die Kindheit zurückliegende – Selbstzweifel und mangelndes Selbstbewusstsein. Impostor mag vielleicht “nur” ein Phänomen sein und kein Syndrom oder gar Krankheit, aber sie ist die Auswirkung von lang anhaltenden Selbstzweifel. Diese sind im ICD-11 sehr wohl als Krankheit angeführt.
Fazit: Burnout und Impostor sind beide – einzeln betrachtet und im Kontext zueinander – ernst zu nehmen. Beide Zustände verursachen den Betroffenen einen enormen Leidensdruck und eine Einschränkung ihrer Lebensqualität. Bei Menschen, die ein Burnout haben, ist es hilfreich, genau hinzuhören, wo sich der größte Stressfaktor verbirgt und diesen zu hinterfragen.
Du selbst bist aber nicht hilflos einer Situation ausgeliefert. Wenn du den Verdacht hast, Burnout zu haben, dann hinterfrage dich selbst und deine Lebensumstände. Notiere dir, welche Faktoren in deinem Alltag den größten negativen Stress verursachen. Das kann dir und auch deinem Arzt helfen, die Ursache des Burnouts einzugrenzen und dir damit noch schneller helfen zu können. Falls du durch deine eigenen Aufzeichnungen ein Impostor-Syndrom vermutest, dann scheue dich nicht, dass deinem Arzt auch zu sagen.
Wie du selbst testet, ob du zum Impostor-Syndrom neigst?
Nr | Frage | Ja | Nein |
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1 | Kannst du dich über ein Lob freuen und es auch annehmen? | ||
2 | Hältst Du andere immer für besser als dich selbst? | ||
3 | Schätzt du deine Erfolge immer nur als Glück oder Zufall ein? | ||
4 | Fühlst du dich oft erschöpft und von Ängsten geplagt? | ||
5 | Kreisen deine Gedanken oft um die Frage “Hoffentlich merkt niemand, dass ich nichts kann”? | ||
6 | Wertest du selbst einen Erfolg sofort ab? | ||
7 | Hast Du gleichzeitig Angst vor Erfolg und Versagen? | ||
8 | Verursacht dir das Gefühl von Erfolg auch das Gefühl, ein Hochstapler zu sein, dem der Erfolg nicht zusteht? | ||
9 | Hast du oft das Gefühl der inneren Erschöpfung? |
Falls du zwei Drittel der Fragen mit “Ja” beantwortet hast, kann es möglich sein, dass du das Impostor-Syndrom aufweist und damit die Gefahr eines Burnouts gegeben ist.
Was tun gegen das Impostor-Syndrom? Du bist nicht hilflos, du kannst aktiv etwas dagegen tun. Führe ein Tagebuch, hole dir Unterstützung in Selbsthilfegruppen oder suche den Arzt deines Vertrauens auf. Hilfe gibt es immer.