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Vier-Tage-Woche – weniger Burnout?

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Die Vier-Tage-Woche könnte ein wirksames Mittel sein, um der Belastung durch die Erwerbsarbeit entgegenzuwirken. Allerdings gibt es für die Umsetzung verschiedene Hindernisse. Welche Vorteile und welche Herausforderungen die Einführung der Vier-Tage-Woche mit sich bringt, erfährst du hier.

Inhaltsverzeichnis

  1. So haben sich die Arbeitszeiten in den vergangenen Jahren verändert
  2. Kann eine Vier-Tage-Woche die Lösung sein, um die Work-Life-Balance zu verbessern?
  3. Test: Vier-Tage-Woche – klappt das?
  4. Ist die Vier-Tage-Woche in Deutschland gewollt?
  5. Sind flexible Arbeitszeiten die Lösung?
  6. Macht die Vier-Tage-Woche weniger Stress?
  7. Gründe für die Vier-Tage-Woche

So haben sich die Arbeitszeiten in den vergangenen Jahren verändert

In Deutschland sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche: Während sie 1991 bei 37,3 Stunden pro abhängig beschäftigter Person liegt, ist der Schnitt bis 2019 auf 34,2 wöchentliche Arbeitsstunden gesunken. Die meisten in Teilzeit Beschäftigten sind Frauen und von diesen wiederum der Großteil Mütter. Der Bedarf an Teilzeitarbeit steigt an, weil die Vereinbarkeit von Familienleben und Vollzeitarbeit kaum gegeben ist.

Teilzeitarbeit umfasst alle Arbeitsmodelle ohne Vollzeitarbeit. Entsprechend unterschiedlich können die Arbeitsstunden hier ausfallen. Die folgende Grafik zeigt, wie sie sich in den Jahren (zwischen 2001 und 2021) verändert haben:

arbeitszeit entwicklung

Historische Entwicklung der Wochenarbeitszeit in Deutschland

Im Jahre 1871 lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland bei 72 Stunden. Seitdem ist sie kontinuierlich gesunken und die Arbeitszeiten wurden gesetzlich geregelt: 1900 wurde der Zehn-Stunden-Arbeitstag bei einer Sechs-Tage-Woche eingeführt, im Jahr 1965 dann die 40-Stunden-Woche.

Kann eine Vier-Tage-Woche die Lösung sein, um die Work-Life-Balance zu verbessern?

Es gibt verschiedene Arbeitgeber:innen, die das Modell der Vier-Tage-Woche bereits ausprobiert haben. Die Reaktionen darauf sind positiv: Die Beschäftigten haben mehr Zeit, sich um sich selbst und ihre Familien zu kümmern. Viele von ihnen übernehmen zudem ein Ehrenamt, um ihrem Leben etwas mehr Sinn zu verleihen. Grundsätzlich ist eine Vier-Tage-Woche also sehr gut geeignet, um die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben (Work-Life-Balance) zu erhöhen.

Stichwort “Downshifting”: Arbeitszeit bewusst verringern

Wer die Arbeitszeit verringert, um ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen zu können, betreibt sogenanntes Downshifting. Für mehr Zeitsouveränität verzichten die betreffenden Personen auch auf einen Teil ihres Gehalts. Es handelt sich also um die bewusste Entscheidung, für mehr zeitliche Freiheit in der Lebensgestaltung auch finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen.

Test: Vier-Tage-Woche – klappt das?

Die Vier-Tage-Woche ist nicht mehr überall ein theoretisches Konstrukt: In verschiedenen Ländern wurden unterschiedlich gestaltete Modelle getestet, die Ergebnisse sind jedoch  überraschend homogen:

Island

2.500 Menschen arbeiteten in Island von 2015 bis 2019 statt der normalen 40 Stunden nur noch 35 Stunden pro Woche. Der Stress wurde deutlich reduziert, Burnout-Zahlen sind signifikant gesunken. Die Teilnehmer:innen des Versuchs arbeiten produktiver und sind insgesamt zufriedener, sodass das Projekt als voller Erfolg gewertet werden kann. Die Gewerkschaften in Island bereiten gerade eine grundlegende Veränderung vor, die flexiblere und kürzere Arbeitszeiten zur Norm machen sollen.

Belgien

In Belgien wird ein anderes Modell der Vier-Tage-Woche erprobt: Hier wird die Gesamtarbeitszeit nicht reduziert, allerdings haben die Bürger:innen seit Anfang des Jahres 2022 die Möglichkeit, ihre 40 Wochenstunden auf vier Tage zu verteilen und so regelmäßig einen Tag freizunehmen.

UK

Zwischen Juni und September 2022 wird im Vereinigten Königreich die Vier-Tage-Woche bei gleichbleibendem Lohn getestet. An diesem Pilotprojekt nehmen über 70 Organisationen und Unternehmen teil. Bereits im Jahr 2019 hatte die Labour Partei angekündigt, die Vier-Tage-Woche innerhalb der nächsten zehn Jahre einführen zu wollen. Den ersten Schritt hat nun die Conservative Partei gemacht.

Weitere Länder experimentieren

Es gibt eine Reihe weiterer Länder, in denen Versuche zur Vier-Tage-Woche durchgeführt werden:

  • In Spanien wird drei Jahre lang für ausgewählte Angestellte die 32-Stunden-Woche getestet – die Regierung unterstützt dieses Pilotprojekt mit 50 Millionen Euro, um zusätzliche Stellen in den Unternehmen zu ermöglichen.
  • Einzelne Unternehmen in Neuseeland arbeiten mit der Vier-Tage-Woche und werden von der Regierung darin ausdrücklich bestärkt.
  • In Japan sind es vor allem große Konzerne, die die Vier-Tage-Woche einführen – mit wechselnden Modellen: Einige Unternehmer:innen möchten, dass ihre Angestellten die 40 Arbeitsstunden auf vier Tage verteilen, sodass der Lohn gleich bleibt, andere wiederum reduzieren die Arbeitsstunden und zahlen dafür geringere Gehälter.

Dass eine Reduktion der Arbeitszeit eine reelle Alternative zur aktuellen Fünf-Tage-Woche darstellt, ist längst nicht mehr umstritten.

Ist die Vier-Tage-Woche in Deutschland gewollt?

Eine aktuelle Umfrage aus dem März 2022 zeigt, dass über die Hälfte der in Deutschland Beschäftigten eine Vier-Tage-Woche begrüßen würden. Die meisten sind sogar bereit, finanzielle Einbußen dafür hinzunehmen. Allerdings zeigt sich die absolute Mehrheit davon überzeugt, dass die Vier-Tage-Woche in Deutschland in absehbarer Zeit nicht eingeführt wird. Wahrscheinlich entspricht das der Wahrheit: Im Rahmen der Diskussion um die sinkenden Einkünfte aus der Rentenversicherung empfiehlt der Wirtschaftsforscher Michael Hüther Anfang Juni 2022 sogar eine Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit um zwei Stunden auf 42 Stunden.

Aus wirtschaftlichen Gründen möchten viele Unternehmer:innen in Deutschland die Vier-Tage-Woche nicht einführen: Der Organisationsaufwand für die neuen Schichten und Arbeitspläne wäre sehr hoch. Insgesamt stiege außerdem die benötigte Zeit für die Arbeitsplanung: Hätte jede:r Beschäftigte ein Anrecht auf eine Vier-Tage-Woche, müsste trotzdem sichergestellt sein, dass auch an den Freitagen sowie den Wochenend-Tagen immer jemand im sozialen Bereich tätig ist.

Einfacher wäre die Vier-Tage-Woche in Branchen einzuführen, in denen die Mitarbeiter:innen viel eigenverantwortlich arbeiten und in denen sie nicht laufend für Kunden ansprechbar sein müssten. Vor allem sogenannte Telearbeit ließe sich leichter so organisieren, dass ein Arbeitstag weniger pro Woche im Rahmen des Möglichen liegt.

Was ist Telearbeit? Der Begriff Telearbeit beschreibt Arbeitsformen, bei denen Arbeitnehmer:innen ihre Aufgaben teilweise oder vollständig außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens erbringen. Dabei sind sie über ein elektronisches Kommunikationsnetzwerk mit ihrem Arbeitgeber verbunden, in vielen Fällen hat das Unternehmens zu diesem Zweck einen fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz zur Verfügung gestellt.

Sind flexible Arbeitszeiten die Lösung?

Es gibt in Deutschland inzwischen mehrere Arbeitszeitmodelle. Die meisten Arbeitnehmer:innen arbeiten in Vollzeit. Allerdings gibt es in vielen Berufen bereits die Gleitzeitregelung. Diese erlaubt es den Angestellten, den Anfangs- und Endzeitpunkt ihrer täglichen Arbeitszeit in einem gewissen Rahmen selbst zu bestimmen. So können sie die Stoßzeiten auf den Straßen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln vermeiden, ihre Kinder in die Kita oder zur Schule bringen oder einfach ihrem Schlafrhythmus angemessen arbeiten: Manche Menschen sind frühmorgens am produktivsten, andere erst später am Tag. 

Es gibt noch weitere Arbeitszeitmodelle, etwa:

  • die Gleitzeit mit Kernarbeitszeiten (hier müssen die Mitarbeiter:innen während bestimmter Stunden anwesend sein, während sie die restliche Zeit flexibel einteilen können)
  • Teilzeit (jede:r Arbeitnehmer:in in Deutschland hat das Recht dazu, bei Bedarf die Arbeitsstunden zu reduzieren)
  • Jahresarbeitszeit (etwa in Jobs, in denen in einer Saison sehr viel zu tun ist und in anderen kaum etwas – es wird eine gesamte Jahresarbeitszeit vereinbart und der Lohn ist unabhängig von der tatsächlichen Arbeitszeit in jedem Monat gleich hoch)
  • Vertrauensarbeitszeit (die Arbeitnehmer:innen selbst erfassen ihre Arbeitszeiten und werden von den Unternehmen nicht überwacht – oft wird dieses Modell bei Remote-Arbeit oder Homeoffice genutzt)  

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen zum ersten Mal Homeoffice ermöglicht. Für viele Angestellte ist es angenehm, Arbeitswege zu sparen und leichter, auf Unvorhergesehenes in der Familie zu reagieren. Manche Unternehmen behalten das Modell auch nach Aufhebung der Homeoffice-Pflicht bei, allerdings auf freiwilliger Basis.

Insgesamt gesehen ist jede Möglichkeit zur Flexibilität für Arbeitnehmer:innen positiv: Je mehr sich die Arbeitszeiten an die persönlichen Bedürfnisse anpassen lassen, desto geringer ist der Stress. Das spüren auch Arbeitgeber:innen, die daher oft ihren Mitarbeiter:innen so weit entgegenkommen wie möglich.

Macht die Vier-Tage-Woche weniger Stress?

Pauschal zu behaupten, dass die Vier-Tage-Woche weniger Stress verursache, wäre zu einseitig betrachtet: Es kommt darauf an, wie sie umgesetzt wird. Bei einem Modell wie in Belgien, in dem dieselbe Arbeitszeit einfach in die kürzere Arbeitswoche übertragen wird, muss sich nicht zwingend eine Stressreduktion einstellen. Stattdessen kann es sein, dass die Arbeitenden nach langen Zehn-Stunden-Tagen besonders ausgebrannt sind.

Findet allerdings tatsächlich eine Reduktion der Arbeitszeit auf 32 bis 35 Stunden statt, ist ein Effekt spürbar. Das zeigt sich bei dem Versuch in Island: Die Unternehmen stellen fest, dass die Angestellten trotz kürzerer Arbeitszeiten eine gleichbleibend hohe oder gar höhere Leistung erbringen. Gleichzeitig sind sie zufriedener. Somit sinkt auch die Zahl der Burnouts. In Zeiten, in denen diese Reaktion auf eine Überbelastung durch die Arbeit immer nur zunimmt, ist das eine bemerkenswerte Entwicklung. Die Arbeitgeber:innen in Island gehen von einer Win-win-Situation aus.

Burnout, sowie andere psychische Krankheiten, gehören zu den häufigsten Ursachen der Berufsunfähigkeit. Der Trend ist (leider) steigend. Aktuell wird jede:r vierte Arbeitnehmer in Deutschland während seiner beruflichen Laufbahn einmal berufsunfähig. Daher ist es wichtig, sich davor abzusichern. Die Berufsunfähigkeitsversicherung von Getsurance bietet dabei die Möglichkeit, auch psychische Krankheiten in den Versicherungsschutz zu integrieren.

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Gründe für die Vier-Tage-Woche

Die Auswirkungen langer Arbeitszeiten sind gut untersucht: 80 Prozent derer, die in Vollzeit arbeiten, geben an, dass sie zumindest zeitweise unter Stress leiden. Jede:r Fünfte hatte bereits einen Burnout. Die Zahl der Depressionen ist rasant gestiegen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin informiert darüber, dass kürzere Arbeitszeiten die Stresswerte verringern, zu einem niedrigeren Blutdruck führen und die Zahl der Krankentage minimieren. Es gibt also gute Gründe für die Vier-Tage-Woche. Zusammengefasst sind das die Folgenden:

  • Wer zu lange arbeitet, kann sich nicht mehr konzentrieren. Mitarbeiter:innen können sich bei kürzerer Arbeitszeit besser fokussieren. Die längeren oder häufigeren Pausen erlauben mentale Erholung, nach der die Leistungsfähigkeit wieder höher ist. In den bisherigen Versuchen bestätigen die Teilnehmer:innen, dass die Produktivität trotz der kürzeren Arbeitswoche nicht gesunken ist.
  • Wer eine Vier-Tage-Woche anbietet, empfiehlt sich als gute:r Arbeitgeber:in.
  • Die Organisation im Unternehmen verbessert sich: Wer die Vier-Tage-Woche einführt, muss auf zügige Abläufe achten. Im Zuge dieser Umstellung werden oft überflüssige Meetings gestrichen und Zuständigkeiten genau geklärt, damit es nicht zu Verzögerungen kommt.
  • Angestellte in einem Unternehmen, das die Vier-Tage-Woche anbietet, sind zufriedener: Sie haben mehr Zeit für ihre sozialen Kontakte, können sich besser um die Familie kümmern und übernehmen häufig auch ein Ehrenamt. Sie sind ausgeglichener und haben das Gefühl, sich ihre Zeit sinnvoll einteilen zu können.
  • Mit der Vier-Tage-Woche gibt es weniger Ausfälle: Menschen werden seltener oft krank oder müssen gar früher aus dem Job ausscheiden. Durch den verminderten Krankenstand ist die Produktivität insgesamt höher.

Alles in allem ist es sinnvoll, die Arbeitszeit etwas zu verkürzen. Zwar ist dies nicht in allen Branchen gleich leicht umzusetzen, aber die bisherigen Versuche haben positive Ergebnisse gezeitigt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Arbeitszeiten international weiter entwickeln werden und in welcher Form Deutschland sich beteiligt.

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