Erfahrungsbericht: Der Körper wollte nicht mehr, aber geistig war ich noch fit
Nach dem Studium begann Erik als IT-Berater für große Kunden zu arbeiten. Was von außen wie die perfekte Karrierelaufbahn aussah, führte ihn innerlich in eine tiefe Leere und Erschöpfung. Nach 60-70 Stunden Arbeit pro Woche nutzte er jede freie Minute nur noch zum “Schlafen und Klarkommen”. Im Interview erzählt er uns seine Burnout-Geschichte, wie er wieder auf die Beine kam und welche beruflichen Schlüsse er schließlich daraus zog.
Inhaltsverzeichnis
- Die “Unentbehrlichkeits-Falle”
- Irgendwann resignierte der Körper einfach
- Raus aus dem Burnout mit Therapie
- Wieder glücklich durch den Tag gehen
- Beruflicher Neustart nach dem Burnout
Die “Unentbehrlichkeits-Falle”
“Rückblickend hat sich der Burnout eigentlich über lange Zeit angekündigt”, erzählt Erik. Nach dem Studium startete er direkt als IT-Berater. Schnell war er in einer Führungsposition, Teil des Managements und hatte viele Projekte in seiner Verantwortung. Nach außen schien es der perfekte Werdegang zu sein. Er arbeitete 60 bis 70 Stunden in der Woche, war auch am Wochenende verfügbar. Erik nahm in den 3,5 Jahren der Zeit, in der er in diesem Job tätig war, nur circa 6-7 Wochen Urlaub. Die restlichen Urlaubstage verstrichen oder er ließ sie sich auszahlen. Er kam sich unentbehrlich vor und dachte, ohne seine Arbeit, würden die Projekte nicht fertig werden. “Von innen betrachtet war das völlig normal, so zu arbeiten. Alle Kollegen haben das so gemacht. Es war ein totales Hamsterrad. Ich habe nicht verstanden, dass das nicht normal war”, erklärt Erik rückblickend.
In seiner Freizeit hatte er keine Zeit, Kraft oder Energie mehr, seine Freunde zu treffen. Erik habe im Alltag sehr zurückgezogen gelebt. Das Leben war auf die Arbeit ausgerichtet. “Jede freie Minute habe ich nur noch zum Schlafen und Klarkommen genutzt.” Seine Freunde hätten nicht verstanden, warum er so viel arbeitete. “Dadurch haben sich Freunde natürlich auch von mir abgekehrt. Ich habe ja auch keinen Kontakt mehr gehalten. Nur noch die Familie war da”, erzählt er. Ansonsten habe Erik ein einsames Leben geführt.
Irgendwann resignierte der Körper einfach
Nach einer Weile realisiert Erik, dass er so nicht mehr arbeiten möchte. Die Beziehungen zu den Kollegen und Vorgesetzten empfand er als toxisch und sein Wohlbefinden fing stark an zu leiden. Daher beschloss er, seine Stelle zu kündigen.
Die Kündigungsfrist lag bei drei Monaten und er nahm sich vor, seinen Job mit einem guten Abschluss zu Ende zu bringen. Danach wollte er sich eine kleine Auszeit nehmen und etwas entspannen. Angespart hatte er genug, um die Zeit bis zu seinem nächsten Job zu überbrücken.
Die letzten Monate in seinem Job fühlten sich an wie eine Qual. Das Verhalten der Geschäftsführung habe sich nach der Kündigung völlig verändert. “Ich kam mir ausgenutzt und an der Nase herumgeführt vor“, erklärt Erik. “Auch gegenüber Kunden wurde versucht mich in einem schlechten Licht dastehen zu lassen, obwohl ich immer loyal und motiviert gewesen bin. Er habe sich dann bis zum Ende des Vertrages durchgebissen.
“Nach der Kündigung hat auch mein Körper Tschüssikowski gesagt und ist komplett heruntergefahren”. Er beschreibt, dass er kaum noch fähig war, alltägliche Dinge zu tun, wie duschen oder frühstücken. Er habe gar keine Motivation mehr gehabt, um aufzustehen. “Alles war unfassbar schwer”, erzählt er. Er fühlte sich wie 20, 30 Jahre über Nacht gealtert und bettlägerig.
Dann überkamen ihn auch noch die Sorgen. Da er sich während seines Jobs kaum um seine Freundschaften gekümmert hatte, war der Freundeskreis weg. Außerdem hatte er kein Einkommen mehr und da er seinen Job selbst gekündigt hatte, war er für drei Monate beim Arbeitsamt für sämtliche finanzielle Unterstützung gesperrt. “Sicherheit und Stabilität waren nicht mehr existent”, berichtet Erik. Er machte sich selbst viele Vorwürfe und fragte sich, was aus ihm nun werden solle. Erik wusste in dem Moment schon, dass er einen Job in der IT-Beratung nicht mehr machen kann und auch nicht mehr will.
Raus aus dem Burnout mit Therapie
Erik bemerkt selbst, dass etwas nicht mit ihm stimmt. In seiner Jugend hatte er bereits Erfahrungen mit Depressionen gemacht. Alte Denkmuster kamen wieder, er war schnell gereizt und mauerte. “Ich wusste, dass ich mental was machen muss und habe gar nicht gezögert, mir einen Therapeuten zu suchen”. Der Therapeut bestätigte Erik dann, dass seine Symptome in das Bild eines Burnouts passen.
Die Therapie half ihm, aus seiner Trägheit herauszukommen. Zunächst fühlte er sich zu erschöpft für alltägliche Aufgaben, wie sich anziehen oder zu essen. Aber ich habe direkt gemerkt, dass sich durch die mentale Arbeit die körperliche Situation stark verbessert hat, “ berichtet Erik.
Wieder glücklich durch den Tag gehen
Erik hat dann eine Gesprächs- und Verhaltenstherapie gemacht. Dort habe er gelernt, „achtsam mir selbst gegenüber zu sein, gesunde Grenzen zu setzen und Bewusstsein für meinen Körper zu schaffen.”
Die Psychotherapie-Sitzungen bezahlte er privat. “Es ist natürlich privilegiert, dass ich mir das privat leisten konnte. Aber so konnte ich innerhalb von zwei Wochen mit der Therapie starten. Das war Glück. Hätte ich noch Monate auf einen Platz warten müssen, wäre der Prozess sicher anders ausgegangen”, resümiert Erik. In den ersten zwei Monaten besuchte er die Therapie ein- bis zweimal pro Woche. Danach verringerte sich die Frequenz auf einmal im Monat.
Erik erzählt uns, dass es insgesamt acht bis neun Monate gedauert hat, bis er das Gefühl hatte, „wieder glücklich durch den Tag zu gehen.”
Die Therapie sei sehr wichtig für seine Genesung gewesen. “Die Außenperspektive ist sehr wichtig. Außerdem fehlte mir in der Zeit das Reflektionsvermögen, um eigenständig aus den Gedankenspiralen zu kommen”.
Beruflicher Neustart nach dem Burnout
Heute gehe es Erik sehr gut. Er lebt mit seiner Partnerin zusammen und hat sich beruflich weiterentwickelt. “Ich habe gelernt, dass ich klare Grenzen brauche und mich auch nicht mehr überarbeiten muss.” Er habe sich einen Job in einem ähnlichen Bereich gesucht, aber in Teilzeit. So konnte er die verfügbare Zeit nutzen, um sich über seine beruflichen Ziele und Wünsche klar zu werden.
Dabei ist ihm bewusst geworden, dass er für sich einen Berufsweg gewählt habe, der an sich nicht mit seinen Werten übereingestimmt habe. “Ich musste eine Rolle spielen, hatte immer die Berater-Maske, die nicht zu mir passte, auf.” Geld und Sicherheit seien heute nicht mehr seine höchste Priorität, sondern er möchte im Einklang mit seinen Werten arbeiten. Daher unterstützt er heute als Coach andere Menschen, die auf der Suche nach ihrem beruflichen Glück sind.
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