Erfahrungsbericht: Burnout begleitet einen lebenslang – aber man lernt damit umzugehen
Johannes (32) hatte eine neue Rolle und Aufgaben im Unternehmen übernommen, in denen er gegen alte Strukturen kämpfte. Schnell merkte er, dass er allein gar nicht gegen diese Windmühlen kämpfen kann. Nach den Überstunden hatte er zu Hause noch mit drei kleinen Kindern und Haushalt zu tun. Irgendwann streikte der Körper. Diagnose: Burnout mit 29.
Im Interview erzählt er uns seine Burnout-Geschichte, wie er hineingeschlittert ist und mit welchen Methoden er heute anwendet, um einen Rückfall zu vermeiden.
Inhaltsverzeichnis
- Weg in den Burnout
- Körperliche Warnsignale
- Burnout-Diagnose und Suche nach Hilfe
- Therapie und lebenslanges Lernen
- Und wie geht’s nach dem Burnout weiter?
Der Weg in den Burnout
Johannes (32) ist eigentlich Software-Entwickler. Doch er bekam eine neue Tätigkeit in einer anderen Abteilung angeboten, die ihn interessierte. Dort sollte er einen alten Bestandsbereich neu strukturieren und mit modernen Ansätzen vorantreiben. Er identifizierte sich mit der neuen Aufgabe und macht sie sich zur Mission. Dabei fielen viele Überstunden an. Auch zu Hause bei seiner Familie mit drei kleinen Kindern hatte er jeden Tag alle Hände voll zu tun und wenig Freizeit. Früher war er gern spontan verreist und mal für ein Wochenende weggeflogen, um neue Kraft und Energie zu tanken. So einfach ließ sich das aber mit den neuen Verantwortlichkeiten nicht mehr vereinbaren, geschweige denn finanziell leisten.
„Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr.“
— Johannes, Burnout-Patient
„Irgendwann baute sich in mir zunehmend eine innere Unzufriedenheit gegenüber dem Job auf”, beschreibt er die damalige Situation. Immer wieder biss er mit seinen neuen Ideen und Ansätzen bei den alteingesessenen Kollegen auf Granit. „Es war ein Kampf gegen Windmühlen, bei dem ich alleine keine Chance hatte”, erklärt Johannes. Es war so frustrierend. Johannes reflektiert seine damalige Arbeitssituation so: „Es gab einfach auch viele Misserfolge, mit denen ich nicht umgehen konnte.”
Körperliche Warnsignale
Johannes hatte beinahe täglich Kopfschmerzen, von morgens bis abends. „Selbst die Ibus haben irgendwann nichts mehr gebracht.” Zudem konnte er nachts schlecht einschlafen. „Immerzu kreisten meine Gedanken um die Arbeit und was am nächsten Tag anstand,” beschreibt er seine Lage. Die Schlafstörungen wurden schlimmer: „Ich bin nachts mit einem Panikgefühl aufgewacht und hatte Angst vor den Terminen am nächsten Tag.”
Johannes beschreibt, dass er nur noch denken konnte: „Das wird wieder furchtbar.” Durch die schlaflosen Nächte verstärkten sich zunehmend die Müdigkeit und auch die Kopfschmerzen. Der Körper fing an, Warnsignale zu senden, doch Johannes schleppte sich weiter zur Arbeit.
Zudem zog er sich zunehmend aus seinem sozialen Umfeld zurück. Er erzählt: „Ich wollte meinen Frieden haben, allein sein und auf der Couch liegen.” Früher war er sehr aktiv, liebte seine Zeit mit der Familie, traf gern seine Freunde zum gemeinsamen Grillen. Auch seiner Frau fiel auf, dass er sich zurückzog. Sie meinte zu ihm, dass er sich weniger empathisch verhielt, nicht aufmerksam war und teilweise sogar kühl und emotionslos gewesen sei, schildert er.
Auch im Job machte sich der Burnout schon bemerkbar, bevor Johannes ihn erkennen konnte. „Ich war nicht mehr kreativ oder produktiv.“ Ich versuchte alles am Laufen zu halten, damit ich bleiben konnte. Ich hatte aber schon längst keinen Antrieb mehr.”
Dann kam der Punkt, an dem gar nichts mehr ging. Johannes erinnert sich, dass es an einem Montag war. Er sei morgens aufgewacht und dachte: „Ich will gar nicht mehr hin.” Dann habe er sich zu seiner Hausärztin geschleppt, um eine Krankschreibung zu holen. Außerdem dachte er sich, dass das so nicht normal sein kann. Er erläuterte seine Symptome gegenüber der Ärztin: „Ich kann nicht mehr schlafen, fühle mich panisch, wenn ich ins Büro muss.” Die Ärztin sagte ihm, dass er erstmal zu Hause bleiben solle.
Burnout-Diagnose und Suche nach Hilfe
Zunächst konnte die Hausärztin keine feste Diagnose stellen. Sie überwies ihn aber zum Neurologen. Bis zum Termin verging etwas Zeit, da dieser gut gebucht war. Währenddessen hat sein Arbeitgeber Johannes gut unterstützt. Dort gab es das Angebot, sich anonym Hilfe bei einem Psychologen zu holen. Bereits am selben Tag konnte er ein Gespräch zur Ersteinschätzung führen und fragen, was ihm helfen könnte. Der Tipp: ausruhen, Batterien auftanken und bei der Fachkraft medizinisch alles abklären lassen. Dieser bestätigte schließlich, dass es sich um einen Burnout handelt.
Er erhielt die erste Krankschreibung für fünf Wochen, danach war eh ein Urlaub geplant. In dieser Zeit versuchte Johannes einen Platz bei einem Verhaltenstherapeuten zu bekommen. Medikamente kamen für ihn nicht in Frage.
Therapie und lebenslanges Lernen
Drei bis vier Monate später fand Johannes dann einen Therapieplatz für 24 Sitzungen, einmal wöchentlich. Er begann auch langsam wieder zu arbeiten, aber viel entspannter.
In der Therapie lernte er mehr über sich und seine Bedürfnisse. „Wie steht die innere Waage? Was gibt mir Kraft, was ist kraftraubend? Was macht mich down, was gibt mir Energie?”. Ziel war es dann, die Dinge zu tun, die ihm Kraft schenkten und die Dinge zu unterlassen, die ihm Kraft nahmen.
Ich habe gelernt: Man kann nicht alles alleine ändern.
Johannes, 32 Jahre, im Interview über seinen Burnout
Zur Prävention von einem Burnout-Rückfall verlängerte er die Therapie um zwölf weitere Sitzungen. So konnte Johannes die Zeit nutzen, um zu reflektieren und die neuen Ansätze zu verinnerlichen. „Die Therapie hilft mir heute noch. Man ist lebenslang nie geheilt von dem Thema”, erklärt er. „Sobald ich einen leichten Anflug fühle, weiß ich: Oh, ich muss aufpassen”. Durch die Therapie hat er seine Triggerpunkte des Burnouts aber nun erkannt und kann seine innere Waage wieder ausbalancieren. „Die Werkzeuge, die mir damals geholfen haben, wieder auf die Beine zu kommen, helfen mir auch heute noch.”
Und wie geht’s nach dem Burnout weiter?
Johannes hatte Glück, wenn man es so sagen kann. Denn er hat die Warnsignale seines Körpers erkannt und ist zum Arzt gegangen. Die Diagnose Burnout war dennoch überraschend. Doch er hat sich vorgenommen, offen und transparent damit umzugehen. So wussten auch alle Kolleg:innen und Vorgesetzten Bescheid und konnten reagieren. „Sie waren sehr verständnisvoll und haben mir den Freiraum gegeben, mich zu erholen”. Außerdem half ihm der offene Umgang mit seiner Burnout-Diagnose bei der Behandlung. „Es hat mir tatsächlich Energie gegeben”.
Auch wenn er sich in der Zeit viele Gedanken rund um seine Existenz, seinen Arbeitsplatz und vor allem zu seinen Beziehungen gemacht hat, so kam er gestärkt aus der Situation. „Die Kinder sind nun älter, das ist etwas einfacher, auch habe ich die Hoffnung, dass nach der Corona-Pandemie insgesamt alles wieder etwas einfacher wird”.
Beruflich ist er in seiner Anstellung geblieben – aber in verkürzter Arbeitszeit. So arbeitet er nur noch zwei Tage als Angestellter in seiner Position und die restlichen drei Tage widmet er sich seinem Start-Up. „Ich habe gemerkt, dass ich mir was eigenes aufbauen möchte und etwas Sinnvolles machen will.” Außerdem habe er erkannt, dass er nicht alles alleine schaffen muss und ändern kann. Es gibt Grenzen. „Ich kann es nicht ändern,” lernte er zu akzeptieren. „Ich kann mich besser hinterfragen und meine Erwartungshaltung anpassen. Perfektionismus hat mich zu sehr an meine Grenzen gebracht. Damit kann ich jetzt besser umgehen.”
*Name wurde redaktionell geändert
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